Ihr fragt euch sicherlich, was es mit dem Titel dieses Beitrags auf sich hat. Nun, für viele Personen aus meinem Umfeld ist die dissoziative Identitätsstörung (DIS) ein schwer vorstellbares Konstrukt, was des Öfteren einer Klärung bedarf. Dies erfordert nicht nur Offenheit dieser Personen für die Sache an sich, sondern setzt eine gewisse Kreativität meinerseits voraus. Ich versuche dabei, möglichst bildlich darzustellen, was sich gerade in meinem Kopf abspielt. Diese Vorgänge in der Therapie oder in meinem Umfeld zu verbalisieren ist deshalb sehr ermüdend. Nach einer Therapiesitzung beispielsweise bin ich erstmal ziemlich müde und brauche eine Pause, was nicht selten in einem Powernap mündet. Ich nenne diesen Zustand „Hirnmuskelkater“, obwohl das Gehirn selbstverständlich kein Muskel ist (meine Professor*innen hätten keine Freude an dem Begriff ;-)). Es fühlt sich an, als wäre mein Gehirn andauernd überreizt und muss temporär abgeschaltet werden, damit es nicht überhitzt.

Mittlerweile seid Ihr ja schon Profis, was die dissoziative Identitätsstörung anbelangt. Ich werde dabei des Öfteren gefragt, wie man sich das System im Kopf überhaupt vorstellen muss. Mein absolutes Lieblingsbild ist die Wohngemeinschaft (WG), auch deshalb, weil dieser Begriff nicht negativ besetzt ist. Ich bin davon überzeugt, dass jede*r von uns verschiedene Persönlichkeitsanteile hat. Bei Euch wohnen diese Persönlichkeitsanteile in einem Studio zusammen, während sich meine WG eine Wohnung mit 15 separaten Zimmern teilt. Mit diesem Bild lässt sich der Begriff „Dissoziation“ sehr gut erklären, was ich nun versuche:
Jedes Mal wenn jemand aus meiner WG den Lead übernimmt, tritt dieser Persönlichkeitsanteil aus seinem Zimmer. Dies führt bei den anderen Zimmern zu einer automatischen Schliessung der Türen, sodass niemand sonst aus seinem Zimmer treten kann. Aus diesem Grund bekommen die Persönlichkeitsanteile in den Zimmern nicht mit, was sich gerade auf dem Gang der Wohnung abspielt. Diesen Sicherheitsmechanismus gilt es in der Therapie zu überwinden, sodass die Türen zu den Zimmern möglichst offen bleiben und die Persönlichkeitsanteile mitbekommen, was die anderen gerade machen. Mir persönlich hilft dieses Bild der WG, um mich mit meiner Erkrankung auseinander zu setzen und ich hoffe, dass mein Umfeld besser verstehen kann, wie es mir ergeht und warum es für mich so schwierig ist, meine Persönlichkeitsanteile zu integrieren.
Das Hauptproblem dabei ist, dass ich destruktiv wirkende Persönlichkeitsanteile habe, die es trotz ihrer nachteiligen Aktivitäten zu integrieren gilt. Im Moment möchte ich deren Zimmer möglichst verriegeln, damit sie meinem System keinen Schaden zufügen. Ich vergleiche diese Persönlichkeitsanteile (noch) als „Autoimmunerkrankung“, bei der sich diese Abwehrmechanismen negativ auf das System auswirken. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mit dem Begriff der Autoimmunerkrankung nicht zu 100% zufrieden bin, weil ich der festen Überzeugung bin, dass auch diese Persönlichkeitsanteile das Recht haben, zu meinem System zu gehören und deshalb eine Funktion erfüllen.
Wie ihr sehen könnt, liebe ich es, in Metaphern zu sprechen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es so am einfachsten ist, mit meinem Umfeld zu kommunizieren und zu erklären, was gerade in meinem Kopf vor sich geht. Dieser Vorgang benötigt allerdings die Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion und auch eine gewisse Menge an Fantasie. Hat man sich allerdings einmal ein Bild der DIS erschaffen, stösst man auf mehr Verständnis und für die Personen im Umfeld ist der Umgang mit mir deutlich leichter.
–Lena
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