Eine Nacht in Isolation

Nichts ist für mich unangenehmer als in der psychiatrischen Klinik eine akute Suizidalität zu entwickeln. Meistens bin ich dann weder ansprechbar, noch absprachefähig. Aus diesem Grund (und aus vielen weiteren Gründen) wurden die Time-Out-Zimmer oder Intensivzimmer erfunden. Das Prinzip ist einfach: Man zieht sich um und zieht risikoarme Kleidung an, gibt alle Geräte ab und begibt sich in einen Raum, in dem sich nur gerade eine Matratze, ein Kissen und eine Decke und ein kleiner Gummiwürfel (der als Tisch fungiert) befinden. Dieser Raum wird von aussen abgeschlossen. Von dort wird auch das Licht an- und ausgeschaltet oder die Rolläden runtergelassen. Es wird einem also alle möglichen Handlungsoptionen abgenommen.

Da ist er nun, dieser Raum (KEINE Gummizelle), dessen Wände unterschiedlich gefärbt sein können und der meistens ein Fenster hat. Ich werde oft gefragt, wie das so sei, den ganzen Tag eingesperrt zu sein und nur sporadisch Kontakt zu einer Pflegeperson zu haben. Für mich gibt es ganz ehrlich genau zwei Möglichkeiten:

  1. Man ist wach und ist allein mit seinen Gedanken und seinen Impulsen. Dieser Zustand finde ich extrem schwierig und führt in meinem Fall häufig dazu, dass ich mich trotzdem verletze. (Die Wand ist jeweils stärker als meine Hand) Manchmal werden auch Gegenstände zur Ablenkung zugelassen (wie beispielsweise Bücher) oder man erhält Kreide, mit der man dann die Wand bemalen darf. Klar könnte ich einfach Medikamente wie Benzodiazepine verlangen und dann schlafen, was mich zu Möglichkeit Zwei führt.
  2. Man schläft – und das nicht zu wenig. Letzte Nacht habe ich (ohne Schlafmedikamente) rund 16 Stunden geschlafen und konnte mich so von meinen Suizidabsichten distanzieren. Ich nenne dies die „smoothe“ Variante. Allerdings ist es nicht ratsam sich immer nur auf Schlafmedikamente zu verlassen. Einerseits führen diese nicht selten zur Abhängigkeit und andererseits sollte man seine Impulse auch ohne Chemie versuchen in den Griff zu kriegen. Zugegeben – daran arbeite ich noch.

Diese Intensivzimmer sind einerseits nützlich, um die Patienten vor Reizen abzuschirmen und Patienten vor sich selbst (Eigengefährdung) oder andere Patienten (Fremdgefährdung) zu schützen. Es kann bei verschiedensten Krankheitsbildern vorkommen, dass eine Einweisung in ein solches Zimmer notwendig wird. Denn Suizidalität, Aggressivität oder eine Psychose können bei verschiedenen Erkrankungen vorkommen. Hier eine Liste abzugeben, wäre schlichtweg nicht vollständig (und unprofessionell).

Das war sie nun meine Nacht in Isolation. Ich habe viel geschlafen, habe mir aber auch viele Gedanken über meine Zukunft gemacht. Vor allem überlege ich mir immer, wie es beruflich bei mir weitergehen soll. Ich arbeite zurzeit an einem geschützten Arbeitsplatz, merke aber, dass das mit meinen weiteren Plänen nicht zu vereinbaren ist. Ich werde diese Stelle leider aufgeben oder zumindest reduzieren müssen. Dies sind nur einige Gedanken, die ich mir mache während ich ohne Ablenkung wach im Isolationsraum liege. Manchmal kommt auch ein negativer Gedanke auf. Da versuche ich jeweils (mangels Alternativen) mit Hirn-Flick-Flacks (zB 100-7, oder das Alphabet mit Tieren) mich davon abzulenken. Denn weitere Selbstverletzungen will ich unbedingt vermeiden. Einerseits für mich selbst, aber andererseits auch weil ich auch mal aus der Isolation entlassen werden will.

Fazit: Intensivzimmer sind nützlich, anders als die Gesellschaft sich sie vorstellt und oftmals nötig, um eine Beruhigung zu erzielen. Ich bin froh, dass diese Möglichkeit in den Kliniken besteht und hoffe, das Bild der Psychatrie mit diesem Beitrag etwas geändert zu haben.

–Toby

Ein Traum wird wahr

In diesem Blog versuche ich stets, die positiven, sowie negativen Seiten der dissoziativen Identitätsstörung aufzuzeigen. Klar, während gut 15 Jahren haben die negativen Aspekte dominiert, doch es gab immer wieder Lichtblicke. So konnte ich das Gymnasium abschliessen, erreichte einen Bachelorabschluss mit 24 Jahren und heiratete. Diese positiven Ereignisse und Lebensabschnitte hielten mich quasi über Wasser…

Der sichere Ort für meine WG

In der Therapie der dissoziativen Identiätsstörung (DIS) ist eine der ersten Methoden herauszufinden, welches der sichere Ort eines jeden Anteils ist. Das kann ein realer Ort sein – muss aber nicht. Fiktive Orte sind durchaus häufig. Ich persönlich stelle mir nur reale Orte vor, weil ich mich mental besser dorthin begeben kann. Wichtig ist, dass…

Gastbeitrag: Beziehung mit einer DIS-Patientin

Hallo zusammen. Ich darf einen Gast-Blogbeitrag schreiben bei «Be Many.» Kurz für alle, die mich nicht kennen. Mein Name ist Karina, bin 25 Jahre alt und in einer Beziehung mit Chantal. Ich verwende die Pronomen Sie und keine. Ich bin eine Frau jedoch bin ich intergeschlechtlich. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizits-Hyperaktivitätsstörung), PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) und rezidivierende Depressionen sind…

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